Dienstag, 13. Oktober 2015

Wahl in Wien: Ein Wahlsieger, der keiner sein darf

Wahl in Wien: Ein Wahlsieger, der keiner sein darf

Torben Grombery

Das politische Establishment in Wien nebst Unterstützern in den Redaktionsstuben und Meinungsforschern feiert einen Wahlerfolg: Die SPÖ ist mit 39,59 Prozent der Stimmen stärkste Kraft geworden und kann mit Grün weiterregieren. Die tatsächlichen Zahlen dahinter erlauben aber auch eine andere Lesart – und werden nicht thematisiert.

Bei den am Sonntag abgehaltenen Landtags- und Gemeinderatswahlen in Wien waren insgesamt 1 143 076 Wahlberechtigte aufgerufen, ihr Landesparlament und die kommunalen Gremien neu zu besetzen. Die Stadt Wien verfügt als Gemeinde und gleichzeitig als Bundesland über zwei politische Entscheidungsstrukturen. Als Stadt über den Wiener Gemeinderat und als Bundesland über den Wiener Landtag.
An der Wahl zum Gemeinderat (gleichzeitig Landtag) beteiligten sich 854 406 Wähler – was einer Wahlbeteiligung von 74,75 Prozent entspricht (2010: 67,63 Prozent). Es nahmen also insgesamt 80 327 Wähler (plus 7,12 Prozent) mehr an dieser Wahl teil, als im Jahre 2010.

Der allüberall gefeierte Wahlsieger, die sozialdemokratische SPÖ, die Wien seit 95 Jahren regiert (lediglich unterbrochen durch die NS-Zeit), konnte ziemlich genau 329 772 Stimmen auf sich vereinen – rund 5000 Stimmen weniger als zur Wahl in 2010 – und das nebst den nicht messbaren Leihstimmen von ÖVP und den Grünen im heraufbeschworenen Kampf »alle gegen HC Strache«,einem von Meinungsforschern prognostizierten und wohl niemals existenten »Kopf-an-Kopf-Rennen« sowie einem Plus von 80 327 Wählern zu dieser Wahl.

Das Wiener Medienportal Vienna Online berichtet am Tag nach dem Wahlgang:
»SPÖ tagt nach Wahlsieg im Wiener Rathaus: Koalitionsgespräche möglich.
Seit Montagfrüh tagt die Wiener SPÖ im Rathaus. Der rote Wahlsieger wird wohl nicht nur das erzielte Ergebnis diskutieren, sondern vielleicht auch schon über mögliche Koalitionen sprechen.«
Die Wiener Zeitung berichtet zum Wahlergebnis:
»Standing Ovations, minutenlanger Applaus. Egal, wo Michael Häupl nach dem sonntägigen Wahlsieg vor seinen Genossen auftritt, ob im SPÖ-Zelt am Wahlabend oder bei den Sitzungen des Wiener SPÖ-Parteivorstandes und des roten Wiener Ausschusses am Montag, der Bürgermeister wird stürmisch gefeiert.«
Die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie, das Parteiblattvorwärts, hat sich erst gar nicht die Mühe gemacht, selbst zu schreiben. Dort übernimmt man lieber gleich einen Text mit der Überschrift »SPÖ-Wahlsieg in Wien sorgt für Jubel bei Sozialdemokraten« vom Onlineportal blick nach rechts, dem hauseigenen Kampfportal gegen alles, was nicht weitgenug links ist.

Eine erfreuliche Ausnahme vom politischen Einheitsbrei an der Medienfront ist diesmal vom österreichischen Kurier zu verzeichnen, wo der Chefredakteur persönlich etwas andere Töne anschlägt.

Das Wahlergebnis der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) stellt sich in nackten Zahlen, Daten und Fakten nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis wie folgt dar:

256 448 erzielte Stimmen (30,79 Prozent) – ein Plus von insgesamt 61 931 Stimmen oder 5,02 Prozent zur vorherigen Wahl im Jahre 2010. Mit erzielten 34 von 100 möglichen Sitzen im Landtag hat die Partei damit auch die für sie wichtigeVerfassungs-Sperrminorität (mehr als ein Drittel der Sitze) knapp erreicht.

Damit möchte die Partei von HC Strache das von Rot-Grün vielfach avisierte Ausländerwahlrecht in den nächsten fünf Jahren verhindern.

Außerdem errang die Freiheitliche Partei jetzt erstmals auch den Posten eines Vizebürgermeisters. Diese Position soll mit Rathaus-Klubchef Johann Gudenus besetzt werden. Weiterhin konnte die FPÖ in allen 23 Bezirken Wiens Zugewinne verbuchen.

Die als konservativ dargestellte Österreichische Volkspartei (ÖVP) musste unter ihrem Vorsitzenden Manfred Juraczka bei dieser Wahl die größte Niederlage hinnehmen.

Mit noch 76 958 erzielten Stimmen (Minus 28 669 oder 4,75 Prozentpunkten) konnte die Partei lediglich ein Endergebnis von 9,24 Prozent verbuchen. ÖVP-Spitzenkandidat Juraczka übernahm umgehend die Verantwortung und kündigte seinen Rücktritt an.

Die Grünen konnten zwar mit 98 626 erzielten Stimmen ihr Stimmenergebnis um 3181 Stimmen im Vergleich zur Wahl im Jahre 2010 leicht verbessern, mussten jedoch wegen der hohen Beteiligungan dieser Wahl ebenso einen prozentualen Verlust von 0,80 Prozent verbuchen.

Deren Spitzenkandidatin Maria Vassilakou hatte sich daraufhin am Montagabend umgehend ein Vertrauensvotum bei der Landeskonferenz ihrer Partei abgeholt und unverzüglich ihren Rücktritt vom angekündigten Rücktritt erklärt.

Als die größten Verlierer dieser Wahl gelten völlig zu Recht wie beschrieben ganz eindeutig die Meinungsforscher. Trotz der vielen gravierenden »Fehlprognosen« kommt niemand auf die Idee, eine längst überfällige Diskussion über ein Verbot von Wahlumfragen im direkten Vorfeld von Wahlen zu entfachen.





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