Freitag, 9. Oktober 2015

Afghanistan: Deutschlands gescheiterter Kriegseinsatz

Afghanistan: Deutschlands gescheiterter Kriegseinsatz

Stefan Schubert

14 Jahre Krieg. Ein zerstörtes Land. Neuerliche Flüchtlingsströme nach Europa. 900 Milliarden Kosten. Zehntausende Tote, beinahe 3500 gefallene NATO-Soldaten, darunter 55 Bundeswehrangehörige. Die US-geführte Invasion ist ein Debakel für den gesamten Westen. Die aktuellen Bilder aus Afghanistan sind bedrückend.

Die Taliban ziehen ungestört Hunderte Kämpfer zusammen und erobern handstreichartig die 300 000-Einwohner-Stadt Kundus, während 22 Menschen, bei dem Bombardement eines Krankenhauses, durch die US Air Force sterben, darunter Patienten, die am lebendigen Leib in ihren Betten verbrennen.
»Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.« Erkannte der ehemalige Gouverneur aus Kalifornien, Hiram Johnson, schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts. In Deutschland übernahm die Rolle des Einpeitschers, der damalige SPD-Verteidigungsminister Peter Struck, mit seinem berühmt-berüchtigten Satz:

»Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt.«
Da das deutsche Volk jahrzehntelang von politischen Eliten und den Leitartiklern der Medienhäuser zur pazifistischen Grundhaltung erzogen wurde, warb man folglich nicht um die Zustimmung an einem Kriegseinsatz, sondern an der Teilnahme an einer Friedensmission.

Operation Enduring Freedom, Operation andauernde Freiheit, hört sich gleich viel besser an als das böse K-Wort: Brunnenbohren, Mädchenschulen und Straßen bauen, quasi ein Einsatz des THW mit Gulaschkanone und umgehängtem Gewehr zur Eigensicherung. Die Leidtragenden dieser Irreführung der Bevölkerung waren die deutschen Soldaten, diese wurden nämlich in den entlegenen Einsatz ohne erforderliches Kriegsgerät abkommandiert:

Keine Panzer, zu wenige gepanzerte Truppenfahrzeuge, keine Haubitzen, denn wo offiziell kein Krieg geführt wird, darf natürlich auch kein Kriegsgerät vor Ort sein, so die heuchlerische Logik derrot-grünen Regierung unter Schröder und Fischer.

Auch aus diesem Grund ist die Opferzahl der Bundeswehr für ihr damals relativ ruhiges Einsatzgebiet entsprechend hoch.

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, findet in einem aktuellen Welt-Interview deutliche Worte für diesen Skandal.
»Wir haben beispielsweise den Niederländern deutsche Artilleriegeschütze zur Verfügung gestellt, die sie mit großem Erfolg dort einsetzen. Wir selbst setzen sie nicht ein, weil ein solches Geschütz in der Bevölkerung den Eindruck erweckt, unsere Soldaten führen da ja Krieg.
Und das hätte die politische Legitimation beeinflusst. Dieses halte ich, um es ganz klar zu sagen, nicht nur für unzulässig, sondern ich halte es für skrupellos.«
Der schwerwiegendste Vorwurf, den der höchste Offizier der Bundeswehr in Richtung der Bundesregierung erheben kann.

Militärisch haben die Amerikaner diesen Krieg verloren, sie haben aus Vietnam immer noch nicht ihre Lehren gezogen. Gewiss, sie haben die Führungsspitze von al-Qaida weitestgehend eliminiert, eine Terrororganisation, die sie selbst geschaffen und mit modernen Waffen ausgerüstet haben, damit diese so viele russische Soldaten wie möglich töten konnten.


Aber al-Qaida ist immer noch aktiv in Afghanistan, dazu sind auch durch die Invasion ein Dutzend zusätzliche islamistische Terrororganisationen am Hindukusch entstanden: Pakistanische Talibandes Tehrik-e-Taliban, afghanische Taliban,Laskar-e-Jhangvi ‒ radikale pakistanische Islamisten mit Verbindungen zu al-Qaida, Harakat ul-Mudjahidin, Hezb-e Islami Gulbuddin, Gulbuddin Hekmatyar, dazu bereitet sich gegenwärtig der Islamische Staat in Afghanistan aus und beginnt ein Schreckensregime einzurichten.

Unangefochten werden große Teile des afghanisch-pakistanischen Grenzgebietes von dem Haqqani-Netzwerk beherrscht. Die in Deutschland relativ unbekannte Gruppe gilt Experten als die tödlichste-terroristische Organisation der gesamten Region. Die Terror-Dynastie verfügt zudem über ein kriminelles Imperium, das mit Entführungen, Erpressung, Schutzgeld und Handel mit Edelsteinen und Bauholz Millionen umsetzt.

Die New York Times nannte sie die Sopranos des Afghanistan-Krieges. Eine komplexe Organisation, die ich in meinem Terror-Thriller Der Konvertit umfänglich beschreibe. In dem Plot führt das Haqqani-Netzwerk aus Vergeltung wegen der Bundeswehr-Beteiligung an demamerikanischen Feldzug Terroranschläge in Deutschland durch.

Afghanistan ist durch den NATO-Krieg also weder sicherer geworden, geschweige denn wurde ein funktionierendes Staatengebilde herbeigebombt. Im Gegenteil, zurzeit fliehen wieder Zehntausende Afghanen Richtung Deutschland.

Der Brigadegeneral Sayed Sabur weiß auch wieso»Die Leute hier verfolgen die Nachrichten. Und sie glauben zu hören, dass Deutschland alle Grenzen geöffnet hat.«Merkels katastrophale Entscheidungen haben sich wirklich bis in alle Winkel der Welt verbreitet.

Oberst Rainer Buske, 61, ein Afghanistan-Veteran, spricht offen über seine Verbitterung wegen der aktuellen Geschehnisse. Er steht hier stellvertretend für Hunderte Soldaten, die traumatisiert und an Leib und Seele verletzt nach Deutschland zurückkehrten und in der Gesellschaft keinerlei Anerkennung für ihre Geschichte finden.

Er trägt noch schwer an seiner Verantwortung in diesem Krieg, denn zwei Männer unter seinem Befehl sind bei Kämpfen um Kundus gefallen. Dem Kundus, was dieser Tage von den Taliban einfach überrannt wurde. Sein Fazit ist dementsprechend ernüchternd:

»Ja, das deutsche Engagement in Afghanistan ist gescheitert.«






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