Blätter der Bosse: Leitmedien laufen zum Elite-Publikum über
Markus Mähler
Eine Zeitung für das Volk? Will keiner mehr machen. Wozu auch: Die Holzmedien finden ihre Leser fast nur noch beim Geldadel. Eine Studie der FAZ beweist mit Stolz: Gedruckte Leitmedien spielen allenfalls bei denen eine Rolle, die mehr als 5000 Euro Nettoeinkommen haben. Auch die Bild ignoriert ihre Kernzielgruppe: Der einfache Mann findet sich im Blatt nicht mehr wieder. Zeit-Herausgeber Sebastian Turner feiert sogar den Sieg der Leitmedien und nennt seine Leser »Leitmilieu«. Die anderen sind bloß abgehängte Resterampe.

»Dahinter steckt immer ein kluger Kopf«: So wirbt die FAZ nur zu gerne auf doppelseitigen Anzeigen. Das Publikum steht schließlich im Mittelpunkt. Und tatsächlich: Deutschlands konservativstes Leitmedium interessiert sich wirklich für seine Leserschaft – und dafür, was die im Geldbeutel hat. Der Inhalt ihrer Köpfe ist dann plötzlich gar nicht mehr so wichtig.
Zum ersten Mal hat die FAZ ihre jährliche »Elite-Studie« ausschließlich an der Bevölkerungsgruppe mit dem höchsten Einkommen durchgeführt. Wer arm aber schlau ist, spielt für das Leitmedium anscheinend keine Rolle mehr. Dabei glänzen weder Gold noch Diamanten auf der FAZ-Titelseite, es ist einfach nur ein bedruckter Stapel Papier.
Vom Leitmedium zur Randerscheinung
In der Studie kam heraus, was herauskommen musste: Wer reich ist, hat auch ein Faible für die journalistischen Premiummarken. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung liest der Geldadel mehr als doppelt so häufig Nachrichtenmagazine (26 Prozent) und sogar viermal häufiger Qualitätszeitungen (19 Prozent).
Damit wird aber auch einiges über den Allgemeinzustand der Holzmedien im digitalen Zeitalter verraten. Nachrichtenmagazine erreichen bloß noch zwölf Prozent aller Menschen und auch nur jeden vierten Wohlstandsbürger im Land. Qualitätszeitungen wie die FAZ werden von mageren fünf

Ein neues Programm für »die Elite der Gesellschaft«
Anscheinend machen die gedruckten Leitmedien jetzt aus der Not eine Tugend. Sie richten sich noch stärker an der Elite aus. Das wirkt aber auch entlarvend: Endlich wächst für alle sichtbar zusammen, was scheinbar schon lange zusammengehört. Den anderen kann es egal sein, sie lesen keine gedruckten Qualitätszeitungen wie die FAZ mehr.
Die Studie soll für die FAZ »neue Einblicke in die Elite der Gesellschaft liefern«, sagt Ingo Müller, Leiter der FAZ Media Solutions. Die Botschaft dieser Worte ist ziemlich deutlich. Deutschlands Alpha-Journalisten wollen wissen, wie Deutschlands Elite tickt, damit das Programm noch schärfer auf diese Gruppe zugeschnitten werden kann.
Was der Geldadel in Deutschland liest
Mit der Kostet-nix-Kultur des Internets, dem Vertrauensverlust der Massen und einer Mittelschicht in der finanziellen Abwärtsspirale sehen FAZ und Co. ihr Heil offenbar in der Flucht: Auf zu den Entscheidern im Land. Das sind die einzigen, denen wir langfristig noch ein Abonnement unserer Produkte zutrauen.
Ganz so klein ist diese Gruppe dann doch nicht. Die neue FAZ-Studie beschränkt sich zwar nur noch auf Haushalte mit einem Nettoeinkommen von mehr als 5000 Euro im Monat – das sind aber insgesamt 6,34 Millionen Menschen in Deutschland. Marktführer ist dort nicht die FAZ, sondern der
Spiegel. 40 Prozent der Befragten meinen, dass sie das Nachrichtenmagazin lesen, die FAZ kommt auf Platz zwei mit 22 Prozent. Der Focus rangiert auf Platz drei mit 17 Prozent.

Die FAZ ist schon länger ein Blatt der Bosse
Die gedruckten Leitmedien erreichen selbst bei der vermögenden Randgruppe nur noch eine Minderheit. Ist die FAZ aber erst seit dieser Studie ein Blatt der Bosse? Nein, das beweist das Buch Lügenpresse von Markus Gärtner. Er zeigt, dass die Zeitung bereits im letzten Jahrtausend eine Bonzen-Tendenz hatte: Sie schrieb für Investmentbanken, Analysten und junge Unternehmen am Markt, schadete aber den kleinen Aktiensparern.
Gärtner belegt dies anhand entlarvender Schlagzeilen. Am 4. Januar 1999 begrüßte ein FAZ-Autor die Einführung des Euro so: »Dennoch wird sich der Euro im zweifachen Sinne als politisches Jahrhundertprojekt in die Geschichtsbücher eintragen.« Die Zeitung meinte es damals ernst. Auch wenn solche Worte heute ironisch klingen. Den neuen Markt jubelte das Leitmedium am 26. Januar 2000 hoch: »Keine Panik/Weiter Optimismus für Wachstumswerte.« Schon im März folgte dann der
Crash. Auch am 2. August 2008 prophezeiten die klugen Köpfe kurz vor dem Börsen-Crash: »Ernstes Problem, aber kein Weltuntergang.«

»Der einfache Mann von der Straße findet sich immer weniger in Bild wieder«
Aber zurück in die elitäre Zukunft der Holzmedien. Besonders deutlich wird der Schwenk bei Deutschlands»Volks«-Zeitung Nummer eins, meint das Handelsblatt. Kai-Hinrich Renner schreibt dort über die Bild: »Chefredakteur Kai Diekmann umgarnt ein hippes Szene-Publikum, dem er sich mit Hipster-Bart, Tattoos und zerfetzten Jeans auch im äußeren Erscheinungsbild angenähert hat. Zudem versteht sich Bild unter seiner Führung immer mehr als politisches Leitmedium. Beim Spagat zwischen Politik und Szene bleibt die eigentliche Kernzielgruppe des Boulevardblatts auf der Strecke: Der einfache Mann von der Straße findet sich immer weniger in Bild wieder.« Die Zeitung leidet deshalb unter massiver Auflagenschwindsucht und einem »Anzeigenrückgang von 15 bis 20 Prozent«.
Die meisten Menschen wenden sich ab – dieses Problem hat die Zeit nicht, dort hat der kleine Mann nämlich nie mitgelesen. Trotzdem wandelt sich auch die Wochenzeitung. Eine unverblümte Elite-Arroganz herrscht dort unter dem Mitherausgeber Sebastian Turner.
In der Zeit wird das Elite-Publikum »die entscheidende Instanz«
Der Medienmogul, Profiwerber und Netzwerker der Mächtigen schrieb einen Kommentar der Zeit,den man nur als maximales Anbiedern an die eigene Leserschaft verstehen kann. Turner – ganz der Kampagnen-Profi – rief den Sieg der Leitmedien aus: Wir »werden immer wichtiger« und haben
auch noch das »Leitmilieu« auf unserer Seite.

Das Elite-Publikum ist »die entscheidende Instanz« im Land, »der Rest sind Follower«. Wer auf der Resterampe landet, leidet sinngemäß unter der PEGIDA-Krankheit und muss isoliert werden.
Eigentlich sind das nur Worthülsen nach dem Motto: Wir sind die Besten. Wer aber schon lange den Verdacht hat, dass sich die Leitmedien freiwillig in Geiselhaft der Mächtigen begeben, wird durch die Arroganz eines Sebastian Turner nur bestätigt. Offensichtlich wächst endlich zusammen, was schon lange zusammengehört.
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