»Die Leute sehen, dass Frau Merkel die Welt retten will und dabei Deutschland vergisst«
Markus Gärtner
Der Ökonom und Politiker Joachim Starbatty ist den Lesern auf dieser Seite bestens bekannt. Er gehörte 24 Jahre der CDU an und verließ die Partei, weil sie die Konzepte Ludwig Erhards verriet. Starbatty wurde in der breiten Öffentlichkeit durch die Verfassungsbeschwerde bekannt, die er 1997 zusammen mit Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider und Dieter Spethmann gegen die Einführung des Euro einreichte.

Auch die Griechenlandhilfe ließ Starbatty in Karlsruhe überprüfen. Im Kopp-Verlag hat er einige Bücher veröffentlicht, darunter Tatort Euro – Bürger, schützt das Recht, die Demokratie und Euer Vermögen. Er zog 2014 ins Europaparlament ein und trat in diesem Sommer aus der AfD aus, um der neu gegründeten Partei ALFA (Allianz für Fortschritt und Aufbruch) beizutreten.
Im folgenden Interview mit Markus Gärtner beantwortet Starbatty Fragen zur deutschen Politik, dem Versagen von Angela Merkel, der Propaganda der Leitmedien, der Flüchtlingskrise, dem Euro und der Zukunft der Deutschen:
KOPP Online: Herr Professor Starbatty, Sie sind im Sommer von der AfD zur neu gegründeten Partei ALFA gewechselt. Die hat jetzt einen Landesverband Baden-Württemberg aufgestellt. In diesem Bundesland findet in sechs Monaten die nächste deutsche Landtagswahl statt. Wie wollen Sie mit ALFA punkten?
Starbatty: Ja, das ist in der Tat eine gute Frage, denn die Leute kennen unsere neu gegründete Partei noch nicht. Sie ist quasi ein Startup, da muss man sich erst einmal Renommee erarbeiten. Das können wir nur schaffen, indem wir unsere Leute überall ins Land schicken, Vorträge halten, damit die Menschen merken, da kommen Leute von ALFA, die haben Ahnung, die sagen uns, was los ist, denen können wir vertrauen; sie hören uns zu und wollen es besser machen. Wenn wir das flächendeckend erreichen können, wäre schon viel gewonnen.
KOPP Online: Welche Rolle spielen Sie in der neuen Partei, Sie wollten ja kein Führungsamt einnehmen, sondern eher beratend tätig sein …
Starbatty: Das ist richtig. Es ist kein Geheimnis, dass ich 75 Jahre alt bin und die Aufbauarbeit den jüngeren Leuten überlassen will, so wie das auch bei der AfD der Fall gewesen ist. Ich bin damals als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats in die Politik gegangen, und so werde ich es auch hier handhaben. Ich stehe zur Verfügung, wenn mein Rat gebraucht wird, und ich halte natürlich Vorträge.
KOPP Online: Welche Chancen rechnen Sie sich bei der nächsten Landtagswahl in Baden-Württemberg aus?
Starbatty: Ich denke, die Leute werden wach und sehen, dass Frau Merkel die Welt retten will und dabei Deutschland vergisst. Sie will das Klima retten, und unser Industriestandort geht vor die Hunde. Sie will für alle Menschen die Arme aufmachen und übersieht, dass die Aufnahmekapazität
eines Landes endlich ist. Wir müssen schauen, dass wir die Menschen überhaupt noch integrieren können. Sie will die Eurozone zusammenhalten und ruiniert dabei Deutschland, die Sparer und die Arbeitnehmer. Das merken die Leute und wenden sich von den etablierten Parteien ab. Da sehen wir unsere Chancen.

KOPP Online: Die Kritik an Frau Merkel wird ja jetzt auch innerhalb der CDU/CSU laut. Hat sie den Bogen überspannt?
Starbatty: Ich denke, dass die Leute das richtige Gespür haben, dass ihre Willkommenskultur uns alle überfordert und dass ihre »Selfies« mit Flüchtlingen der Welt sagen: Kommt zu uns, wir tun alles für Euch. Und da sagen die vernünftigen Leute bei uns: Man muss ja auch an die Konsequenzen denken. Solche Botschaften, wie sie Frau Merkel aussendet, wirken nach innen – wir müssen anständig und nett sein und helfen wollen –, aber sie wirken auch nach außen.
In den Flüchtlingslagern in Jordanien beispielsweise sagt man inzwischen: Deutschland ist das Paradies, da müssen wir hin. Und dann, wenn die Flüchtlinge erst bei uns sind, dann will Frau Merkel sie auf Europa verteilen. Das geht natürlich nicht. Man muss schon, wenn man etwas beginnt, auch das Ende bedenken.
KOPP Online: Sie haben das Stichwort Konsequenzen gegeben. Wie wird nach Ihrer Einschätzung der anhaltende Flüchtlingsstrom Deutschland verändern?
Starbatty: Ja genau, das ist der Punkt, er kann uns stark verändern. Wir könnten schließlich in einem Deutschland leben, das wir nicht mehr erkennen. Menschen in Not aufzunehmen, ist Christenpflicht, aber wir müssen sie auch integrieren können und zwar in die Arbeitsplätze. Wir wollen sie ja nicht in die Sozialsysteme integrieren. Und das ist unglaublich viel Arbeit, das wird alles unterschätzt. Wer weiß, wie viel Nacharbeit notwendig ist, damit Kinder von Migranten die Schulen
schaffen, der kann sich vorstellen, welche Arbeit da jetzt auf uns zukommt.

Wenn wir Menschen integrieren wollen, die überhaupt nicht mit unserer Kultur vertraut sind, dann ist das eine Mammutaufgabe. Und Frau Merkel geht da so leicht drüber hinweg und ist blind für die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind.
KOPP Online: Laut den jüngsten Umfragen ist eine Mehrheit der Deutschen nicht mit der Flüchtlingspolitik der Regierung einverstanden. Regiert die politische Kaste in Berlin am eigenen Volk vorbei?
Starbatty: Ja, es ist immer so ein bisschen, dass die politische Elite, die sich für eine Elite hält, abgehoben ist, immer dieselben Leute hört, immer dieselben Zeitungen liest und immer bestätigt wird. Da sieht man nicht mehr, was draußen los ist. Und das, was Frau Merkel verkündet, ist wahrscheinlich bei einem geselligen Abendessen entstanden: Welche Formel nehmen wir jetzt, damit die Deutschen positiv gestimmt sind. Da haben sie den Begriff »Willkommenskultur«erfunden und den Slogan –»Wir schaffen das« – nachgeschoben.
Jetzt sieht man die Konsequenzen. Das alles hat man nicht bedacht. Und deswegen denke ich, dass die Politiker, wenn sie lange an der Macht sind, glauben, immer recht zu haben; nicht weil es stimmt, sondern weil sie es sagen.
KOPP Online: Welche Rolle spielen nach Ihrer Beobachtung die Mainstream-Medien in diesem ganzen Theater?
Starbatty: Die Massenmedien berichten eher auf der Linie von Frau Merkel als auf einer kritischen Linie. Es gibt klar denkende Intellektuelle wie den früheren Verfassungsrichter, Udo di Fabio, die sagen, wir müssen schauen, was machbar ist, und das, was darüber hinausgeht, ist weder für uns
noch für die Flüchtlinge gut. Wir wollen ja nicht, dass die Flüchtlinge nicht irgendwie vegetieren, sie müssen integriert werden. Und das ist eine existentielle Herausforderung. Einfach nur die Arme aufmachen und sagen »wir lieben Euch«, das führt in die Irre.

KOPP Online: In dieser großen Willkommens-Party gehen leider viele andere wichtige Themen fast oder völlig unter, zum Beispiel Griechenland. Wie wird es denn da weitergehen, das dritte Hilfspaket ist ja jetzt angelaufen?
Starbatty: Griechenland ist hoffnungslos wettbewerbsunfähig. Und innerhalb des Euro wird es weiter wettbewerbsunfähig bleiben. Da ist das dritte Hilfspaket nur die Vorstufe zu weiteren Hilfspaketen. Man hilft weder Griechenland noch der Eurozone, wenn man dieses Land in der Eurozone hält, obwohl es da nicht hingehört.
Man muss genau überlegen, politisch und auch ökonomisch, was hilft Griechenland wirklich? Griechenland braucht ein Geschäftsmodell, das ihm die Möglichkeit verschafft, die eigenen Leute zu beschäftigen und auch die Schulden zurückzuzahlen. Genauso wie ein Unternehmer, der Konkurs gemacht hat, ein Geschäftsmodell braucht, mit dem er wieder auf die Beine kommt. Darüber müsste man nachdenken. Und nicht bloß Geld auszahlen. Griechenland zu der verhängnisvollen Austerity-Politik zu zwingen, den Gürtel noch enger zu schnallen, ist eine tödliche Medizin.
KOPP Online: Sie haben in einem Interview im August 2013 vor einer »europäischen Katastrophe« gewarnt. Die ist zwar noch nicht eingetreten, aber wir sind ihr sicherlich nähergekommen. Wie sehr ist das europäische Einigungsprojekt derzeit in Gefahr?
Starbatty: Es ist einmal durch den Euro in Gefahr, weil sich die Europäische Währungsunion gespalten hat. Und es ist in Gefahr wegen der Flüchtlings-Katastrophe. Frau Merkel hat und will nun Quoten für die Mitgliedstaaten einführen, also den Ländern gegen ihren nationalen Willen Flüchtlinge aufdrängen. Und die wehren sich.
Und wenn Herr Martin Schulz, unser etwas überlegen naseweiser Präsident des Europäischen Parlaments, sagt, man müsse die Macht der Europäischen Union nutzen, um einzelne Länder zur Solidarität zu zwingen, dann spüren gerade unsere Nachbarstaaten schon wieder die deutsche Bevormundung: »Am deutschen Wesen soll Europa
genesen«. Und das bekommt uns überhaupt nicht.

Das wird Europa auseinandertreiben. Was Herr Schulz betreibt, ist eine Steilvorlage für UKIP und für alle Leute, die Großbritannien aus der Europäischen Union raushaben wollen.
KOPP Online: Sie haben sich im Zusammenhang mit der Einführung des Euro und bei anderen Gelegenheiten intensiv mit der Einhaltung von Gesetzen beschäftigt. Es wird in diesen Tagen in der Gegenöffentlichkeit verstärkt die Kritik geäußert, dass hierzulande neuerdings ständig Gesetze außer Kraft gesetzt oder umgangen werden. Sind wir noch ein Rechtsstaat?
Starbatty: Nein, das europäische Recht ist für den Zusammenhalt in der Eurozone geopfert worden. Wenn Frau Merkel sagt: »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, dann bedeutet das natürlich, dass man sich nicht mehr an Grundsätze und Gesetze hält, sondern alles in Bewegung setzt, um die Eurozone zusammenzuhalten. Damit hilft sie weder den Ländern, die gefährdet sind, noch hilft sie dem Euro, noch hilft sie uns, sondern sie zerstört das europäische Aufbauwerk.
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