Obama glorifiziert Amerikas Hegemonialstellung
Dr. Paul Craig Roberts
Dieses Jahr sind die Vereinten Nationen 70 Jahre alt geworden. Was hat die UNO in dieser Zeit an Gutem bewirkt? Die Antwort auf diese Frage fällt nicht leicht. Einige Blauhelm-Friedensmissionen waren halbwegs erfolgreich, aber in erster Linie dienten die Vereinten Nationen Washington dafür, Krieg zu führen, etwa in Korea oder während des Kalten Kriegs mit der Sowjetunion. Später ließ Washington von der UNO Panzer gegen die bosnischen Serben entsenden, und zwar in einer Zeit, als Washington Jugoslawien und Serbien zerlegte.

Als die serbische Führung versuchte, die Integrität ihres Landes gegen die Aggression Washingtons zu verteidigen, warfen ihr die USA Kriegsverbrechen vor. Die Vereinten Nationen unterstützten Washingtons Sanktionen gegen den Irak, die zum Tod von 500 000 irakischen Kindern führten. Darauf angesprochen erklärte Clintons Außenminister mit typisch amerikanischer Herzlosigkeit, dass die Sache den Tod dieser Kinder wert war.
2006 verhängte die UNO Sanktionen gegen den Iran, weil dieser sein Recht als Unterzeichner des Abkommens gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ausübte und an Atomenergie forschte.
Ohne irgendwelche Beweise dafür vorzulegen, behauptete Washington, dass der Iran gegen das Abkommen verstoße und eine Atombombe baue. Die Vereinten Nationen nahmen diese Lüge hin. Washingtons Behauptung wurde von sämtlichen 16 Geheimdiensten Amerikas genauso widerlegt wie von den Inspekteuren der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA, die vor Ort im Iran waren.
Aber unbeirrt von den Fakten trieben die US-Regierung und ihre Medienhuren die Behauptungen weiter voran, bis schließlich Russland eingreifen und Washington die Dinge aus den kriegslüsternen Händen nehmen musste. Dass Russland intervenierte, um Militärschläge Amerikas gegen den Iran und Syrien zu verhindern, führte dazu, dass Russland und sein Präsident Wladimir Putin verteufelt wurden.
»Fakten?! Washington braucht keine blöden Fakten! Wir haben etwas viel Besseres – wir haben Macht!« Vor den Vereinten Nationen hob Obama diese Woche wieder und wieder Amerikas alles überragende Macht hervor – das stärkste Militär der Welt, die stärkste Volkswirtschaft der Welt…
In sieben Ländern ist Washington einmarschiert oder hat sie bombardiert. Nichts hat die UNOunternommen, um diese Verstöße gegen das Völkerrecht zu unterbinden, genauso wenig dagegen, dass Obama die Regierungen in Honduras und in der Ukraine stürzen ließ (und es werden weitere folgen).
Die Vereinten Nationen bieten Ländern und Bevölkerungsgruppen, die in einem Land unterdrückt werden, eine Plattform zur Beschwerdeführung. Das gilt natürlich nicht für die Palästinenser, die trotz aller auf Landkarten eingezeichneten Grenzen und einer jahrhundertelangen Präsenz von den
Vereinten Nationen nicht einmal als Staat anerkannt werden.

Jetzt fand die 70. Generaldebatte der UNO statt und ich habe weite Teile des Tages damit verbracht, mir die unterschiedlichen Reden anzuhören. Die Reden mit dem höchsten Wahrheitsgehalt waren diejenigen der Präsidenten Russlands und des Irans.
Diese Präsidenten sperrten sich gegen Washingtons Realitätsverzerrung, die Matrix, die Obama der Welt in seiner Rede aufzwingen wollte. Beide Präsidenten hinterfragten vehement das falsche Bild, das die Propagandamedien im Westen und ihre Herren in den Regierungen verbreiten, ein Bild, mit dessen Hilfe sie auch weiterhin ihre Hegemonie über alle anderen ausüben wollen.
Und was war mit China? Chinas Präsident überließ das Feuerwerk Putin, bereitete ihm aber die Bühne, indem er amerikanische Allmachtsansprüche zurückwies: »Die Zukunft der Welt muss von allen Ländern geprägt werden.« Durch die Blume erteilte Chinas Präsident den neoliberalen Ökonomen des Westens eine Absage und erklärte: »Chinas Stimme in den Vereinten Nationen wird immer den Entwicklungsländern gehören.«
Der chinesische Präsident sprach nicht bedrohlich, nicht provokant, ganz so, wie es die hohe Schule der chinesischen Diplomatie verlangt. Wenn er Kritik am Westen übte, dann indirekt. Er hielt eine kurze Rede, für die er viel Applaus einheimste. Vor Obama sprach die Präsidentin Brasiliens und sie nutzte ihre Redezeit vor allem dafür, Werbung für ihr Land zu machen. Obamas Rede dagegen war die übliche Washingtoner Masche:
»Die USA haben daran gearbeitet, einen dritten Weltkrieg zu verhindern, sie haben die Demokratie gefördert (indem sie gewaltsam Regierungen stürzten), sie haben die Würde und den gleichen Stellenwert aller Menschen respektiert (sofern es nicht Russen in der Ukraine oder Moslems in Somalia, Libyen, dem Irak, Afghanistan, Syrien, dem Jemen oder Pakistan waren).«
Washington wolle verhindern, dass »größere Länder kleineren Ländern ihren Willen aufzwingen«, erklärte Obama. Merkwürdig nur, dass Washington genau das schon immer getan hat und ganz besonders unter Obama. Was ist mit all den Flüchtlingen, die derzeit Europa überrennen? Damit hat Washington nichts zu tun, das ist alles die Schuld von Assad, der Bomben auf Menschen wirft.
Wenn Assad Menschen bombardiert, ist das Unterdrückung, wenn Amerika Bomben wirft, ist das Befreiung.

Dass man Gewalt anwenden müsse, diene dazu, die Welt von »Diktatoren« zu befreien, »Diktatoren« wie Assad, der bei der letzten Wahl 80 Prozent der Stimmen einstrich, ein Zuspruch also, wie ihn Obama nie erhielt und auch nie erhalten wird.
Nicht Washington habe die Souveränität der Ukraine mit einem Staatsstreich verletzt, bei dem eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt wurde, sagte Obama. Nein, die Souveränität sei durch Russland verletzt worden, denn dessen Präsident ließ seine Truppen in der Ukraine einfallen, wo sie die Krim annektierten und nun versuchen, sich die anderen abtrünnigen Republiken unter den Nagel zu reißen… Regionen mit russischen Bevölkerungsgruppen, die mit dem Russenhass der von Washington installierten ukrainischen Marionettenregierung nicht einverstanden sind.
Ohne rot zu werden, erklärte Obama, dass 60 Prozent der amerikanischen Marine ins Südchinesische Meer entsandt wurden, um die chinesische Marine zu binden, sei kein Akt amerikanischer Aggression, es sei vielmehr geschehen, um den freien Fluss der Handelswaren nicht zu gefährden.
Obama implizierte, dass China eine Bedrohung für den freien Warenfluss sei, aber natürlich ist Washington in Wahrheit viel eher besorgt, dass China seinen Einfluss ausweitet, indem es den freien Warenfluss ausweitet.
Die USA und Israel würden Gewalt anwenden? Das bestritt Obama. Es seien vielmehr Russland und Syrien, die so etwas tun, behauptete er, ohne Beweise vorzulegen. Er habe Libyen angegriffen, um
dort »ein Massaker zu verhindern«, aber natürlich war der Angriff der NATO auf Libyen ein Massaker, und zwar eines, das bis heute andauert. Aber das war alles Gaddafis Schuld. Er wollte sein eigenes Volk abschlachten, also hat Washington ihm die Arbeit abgenommen.

Dass Washington gewaltsam gegen Millionen Menschen in aller Welt vorgegangen ist, rechtfertigte Obama damit, dass Washington es gut meine und die Welt vor Diktatoren retten wolle. Mit seiner Wohlfühlrhetorik, dass man sich Diktatoren in den Weg stellt, wollte Obama die schweren Kriegsverbrechen unter den Teppich kehren, denen in sieben Ländern Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind oder die sie ihr Zuhause kosteten.
Kaufte ihm die Vollversammlung das ab? Vermutlich der einzige, der blöd genug dafür war, war der britische Premier Cameron. Der Rest der Washingtoner Vasallen tat pro forma so, als glaube man Obamas Propaganda, aber Überzeugung war aus ihren Stimmen nicht herauszuhören.
Wladimir Putin dagegen wollte nichts davon hören. Die Vereinten Nationen funktionieren, wenn sie denn funktionieren, nur auf der Grundlage von Kompromissen und nicht, indem ein Land seinen Willen durchdrücke, erklärte er.
Doch nach dem Ende des Kalten Kriegs sei »ein einzelnes Zentrum der Dominanz in der Welt entstanden«, das »außergewöhnliche Land«. Dieses Land schlage seinen eigenen Kurs ein, so Putin, und dieser Kurs kenne keine Kompromisse und kein Interesse an den Anliegen anderer. Russland und sein Verbündeter tragen die Schuld an der Gewalt, hatte Obama behauptet. Darauf bezugnehmend erwiderte Putin, man »solle nicht Worte manipulieren«.
Washington wiederhole frühere Fehler, indem man sich auf Gewalt verlasse, aber das führe zu Armut und gesellschaftlicher Zerstörung, so Putin. »Ist Ihnen bewusst, was Sie getan haben?«, fragte der russische Präsident an die Adresse Amerikas gewandt. Ja, Washington ist es bewusst,
aber das wird es nicht eingestehen.

Das ehrgeizige Amerika werfe Russland vor, ehrgeizig zu sein, so Putin. Unterdessen würde der Ehrgeiz mit Amerika durchgehen und der Westen verkaufe seine Aggression als Bekämpfung des Terrorismus, während Washington gleichzeitig den Terrorismus finanziert und fördert.
Der Präsident des Iran erklärte, dass der Einmarsch der USA in Afghanistan und im Irak Terrorismus habe entstehen lassen, ebenso die Unterstützung, die Amerika den Zionisten bei der Zerstörung Palästinas zuteilwerden lasse. Mit seiner Rede hat Obama eines ganz deutlich gemacht: Dass Millionen muslimischer Leben und Hoffnungen zerstört wurden, ist nicht Washingtons Schuld. Die vor Washingtons Kriegen geflohenen Menschen, die derzeit Europa überrennen, sind die Schuld Assads, so Obama. Amerika stehe für »internationale Normen«, behauptete Obama und unterstrich damit den Hegemonialanspruch der USA. Und dahingehend wurde seine Aussage auch von der Vollversammlung gewertet.
Die Welt hat es mit zwei demokratiefeindlichen Schurkenstaaten zu tun, den USA und Israel, die für sich eine »Sonderstellung« in Anspruch nehmen, dank derer Recht und Gesetz für sie nicht gelten. Internationale Normen = die Normen Washingtons und Israels. Länder, die sich nicht an diese internationalen Normen halten, sind Länder, die nicht die Vorgaben von Washington und Israel erfüllen.
Die Präsidenten von Russland, China und dem Iran waren nicht bereit, Washingtons Definition dessen zu akzeptieren, was »internationale Normen« ausmacht. Die Linien sind gezogen. Sofern das amerikanische Volk nicht noch zur Vernunft kommt und die Kriegshetzer aus Washington vertreibt, wird die Zukunft Krieg bringen.
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Bildnachweis: whitehouse
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Die Rede zeigt die politische Komplexität globaler Konflikte. Wer solche Themen akademisch aufbereiten will, findet mit facharbeit schreiben lassen einen wertvollen Helfer für tiefgründige Analysen und klar strukturierte Argumentation.
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