Neue Weltordnung? Wer tatsächlich das Sagen hat
Jake Anderson
Seit Jahrzehnten streiten sich extreme Ideologien vom linken und rechten Flügel. Es geht um die »Verschwörungstheorie«, derzufolge eine geheimnisvolle Schattenregierung die Fäden zieht und dass es in Wirklichkeit sie ist, die den Staats- und Regierungschefs und den Industriekapitänen die Richtung vorgibt.

Immer wieder taucht dabei der Begriff »Neue Weltordnung« auf, wird aber gerne als aufgeblasene Verschwörungstheorie abgetan, die Menschen verbreiten, denen die geistigen Kapazitäten fehlen, die Feinheiten der Geopolitik zu überblicken. Aber wie sich herausstellt, ist die grundlegende Idee eines tiefreichenden und umfassenden Geklüngels zwischen Wall Street und Regierung zum Erreichen globalistischer Ziele realistisch. Als »Deep State« bezeichnen einige Insider dieses Modell.
Dieser Begriff des »tiefen Staates« wurde in den vergangenen Jahren von einer Vielzahl von Ideologien aufgegriffen. Mike Lofgren, ehemaliger Mitarbeiter eines republikanischen Kongressabgeordneten, bezeichnete den Deep State als Schnittstelle von Wall Street und nationalem Sicherheitsstaat. Gewählte und nicht gewählte Persönlichkeiten würden gemeinsame Sache machen, um ihre Macht zu festigen und versteckte Interessen zu bedienen.
Es sei »die große Geschichte unserer Zeit«, sagte Lofgren. Der Deep State zeige, dass die sichtbare, im Rahmen der Verfassung agierende Regierung gescheitert sei und inwieweit der Korporatismus und der globale Krieg gegen den Terror sich gegenseitig befruchten.
»Es ist ein Hybrid aus Behörden der nationalen Sicherheit und der Justizbehörden – Verteidigungsministerium, Innenministerium, Heimatschutzbehörde, Central Intelligence Agency und Justizministerium. Ich zähle auch das Finanzministerium dazu, weil es Jurisdiktion über die Kapitalströme besitzt, weil es internationale Sanktionen durchsetzen kann und weil es eine organische Symbiose mit der Wall Street eingegangen ist«, so Lofgren. Selbst Teile der Judikative, vor allem der Foreign Intelligence Surveillance Court, gehören zum Deep State.
Wie agiert der Deep State?
Dass die Interessen der Rüstungsfirmen, Banker, des Militärs und der In- und Auslandsgeheimdienste gewahrt werden, dafür sorgt ein komplexes Drehtürsystem zwischen dem militärisch-industriellen Komplex, der Wall Street und Silicon Valley.
Es handele sich nicht um eine Verschwörungstheorie, sagen Mike Lofgren und viele andere Insider. Der Deep State verstecke sich ganz offen sichtbar und reiche weit über den militärisch-industriellen Komplex hinaus, vor dem vor über 50 Jahren der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower in
seiner Abschiedsrede warnte.

Die meisten Menschen sind sich des Überwachungsstaates zumindest passiv bewusst, ebenso des Geklüngels zwischen Regierung und den Konzernbossen der Wall Street. Wenigen ist jedoch klar, wie viel nachrichtendienstliche Arbeit der Staat in den USA tatsächlich an Privatunternehmen ausgelagert hat, an Firmen, die keinen Kontrollen unterliegen und die niemand zur Verantwortung zieht. Lofgren sagt, 70 Prozent des Geheimdiensthaushalts fließen an Subunternehmer.
Während die Wall Street und die Bundesregierung in Washington Geld aus der Wirtschaft absaugen, Dutzende Millionen Bürger zwingen, sich um Lebensmittelmarken anzustellen, und mehr Menschen ins Gefängnis werfen als China – immerhin ein totalitärer Staat, in dem vier Mal so viele Menschen leben wie in Amerika ‒, hat der Deep State seit 9/11 das Äquivalent von drei Pentagons, also dem US-Verteidigungsministerium, aufgebaut. Es ist dieser aufgeblähte Apparat, der Rüstungsfirmen, Geheimdienstfirmen und privatisierte, nicht rechenschaftspflichtige Privatpersonen schön zusammenhält.
Nachdem er jahrelang im US-Kongress gearbeitet hatte, erlebte Lofgren 2001 seinen Moment der Wahrheit.
Damals erlebte er mit, wie die US-Regierung einen gewaltigen Batzen Geld, der vorgeblich für Afghanistan gedacht gewesen sein soll, in Richtung Persischer Golf umlenkte. Das habe den Bann gebrochen, sagte er, und ihn von dem Gruppendenken geheilt, das seiner Meinung nach alle Lakaien in Washington gleichschaltet.
Mit Gruppendenken ist gemeint, dass man unbewusst die Ansichten seiner Vorgesetzten und Kollegen übernimmt. Gruppendenken trägt auch dazu bei, dass das Silicon Valley weiterhin den Überwachungsstaat mit Technologie und Informationen versorgt. Ohne das Silicon Valley könnten die US-Geheimdienste NSA und CIA nicht tun, was sie tun, sagt Lofgren.
Das Silicon Valley sei quasi eine Partnerschaft mit der NSA und deren Überwachungsaktivitäten eingegangen, wobei eine gerichtliche Anweisung zum FISA-Gesetz den Weg geebnet habe.
Inzwischen beschweren sich diese Firmenbosse über ausländische Marktanteile und über die Schäden, die diese geheimen Absprachen national wie international ihren Marken beigefügt haben.

Getarnt als scheinbarer Pseudo-Libertarismus führen sie eine kommerziell orientierte Branche, die mindestens genauso aufdringlich ist wie die NSA.
Unterdessen spielt es der Wall Street in die Karten, dass die DMCA-Gesetze zu geistigem Eigentum so manipuliert wurden, dass die US-Regierung Bürger, die an IT-Geräten einen Jailbreak (Manipulation der Software) vornehmen, mit Geldstrafen belegen oder sogar ins Gefängnis bringen kann. Kein Wunder, dass die Regierung dieses drakonische Gesetz für 15 Jahre aufrechterhielt.
Ebenso wenig überrascht es, dass das Wuchern der Korporatokratie dem Deep State in die Karten spielt.
Die Drehtür zwischen Regierung und Wall-Street-Geld erlaubt es Spitzenfirmen, ranghohen Regierungsvertretern und Ja-Sagern aus dem Militär erstklassige Posten anzubieten. Das erklärt auch, warum die Clintons das Weiße Haus nahezu pleite verließen und innerhalb kürzester Zeit 100 Millionen Dollar anhäuften, sagt Philip Giraldi, ehemaliger Antiterrorspezialist und militärischer Geheimdienstoffizier im Dienst der CIA. Es erklärt auch, wie der ehemalige General und CIA-Chef David Petraeus, ein Mann ohne jegliche Finanzerfahrung, Partner bei der Beteiligungsgesellschaft KKR werden konnte. Und wie der frühere amtierende CIA-Direktor Michael Morell Senior Counselor bei Beacon Global Strategie wurde.
Die Wall Street ist die ultimative Grundlage für den Deep State, denn dank der gewaltigen Mengen an Geld, die an der Wall Street erzeugt werden, kann man ehemaligen Staatsdienern nach deren
Pensionierung bestens bezahlte Posten anbieten.

Vetternwirtschaft wird hier ganz großgeschrieben, währenddie Drehtür zwischen Wall Street und US-Regierung einen Großteil von Amerikas innenpolitischen Streitigkeiten erleichtert: »Bankenfinanzierungen, Steuererleichterungen, Widerstand gegen Gesetze, die die Wall Street, Parteispenden und Lobbyarbeit regulieren würden … Die ehemaligen Spitzenbeamten, Generäle und hohe Geheimdienstmitarbeiter, die sich beteiligen, finden sich in millionenteuren Häusern wieder, in denen sie ihr Altenteil verbringen können, hübsch abgesichert mit einem ansehnlichen Investitionsportfolio«, so Giraldi.
Wie kam der Deep State zustande?
Manche sagen, er habe sich aus dem militärisch-industriellen Komplex entwickelt, während andere ihn auf die Verabschiedung des Federal Reserve Act zurückführen, also in eine Zeit noch vor dem Ersten Weltkrieg. Damals erklärte Woodrow Wilson:
»Aus uns ist eine der am schlechtesten regierten und am stärksten kontrollierten und dominierten Regierungen der zivilisierten Welt geworden. Keine Regierung aus Überzeugung mehr und nicht der Stimme der Mehrheit folgend, sondern eine Regierung in der Hand und unter dem Zwang einer kleinen Gruppe dominanter Männer.«
Dieser semi-geheime Geheimbund zieht in der US-Bundeshauptstadt Washington und bei dem Großteil der amerikanischen Außenpolitik die Fäden. Bewahrt wird er durch eine korporatistische Ideologie, die getrieben ist von Deregulierung, Outsourcing, Deindustrialisierung und Finanzmarkt-Kapitalismus. Die Sonderstellung Amerikas – der große »Washington-Konsens« ‒ zieht im Ausland ewigen Krieg und Wirtschafts-Imperialismus nach sich, während im Inland die Interessen der heimischen Oligarchie vorangetrieben werden.
Diese Regierung innerhalb der Regierung agiere mit Steuergeldern, werde aber nicht durch die Verfassung eingeengt, so Lofgren. Auch politischer Wetterumschwung im Weißen Haus wirke sich nicht aus. In einer Welt, in der der Deep State ungestraft schalten und walten kann, ist es völlig egal, wer im Weißen Haus sitzt, solange er oder sie bloß den Krieg gegen den Terror fortführt. Denn dieser ist es, der dieses miteinander verwobene Netz aus Firmeninteressen und unaufrichtigen geopolitischen Zielen fördert.
»Solange die Bewilligungsvorlagen rechtzeitig abgesegnet werden, die Beförderungen durchgehen, die schwarzen (sprich, geheimen) Kassen abgenickt werden, die speziellen Steuervorteile für
bestimmte Unternehmen ohne großen Streit durchgewinkt werden und solange nicht allzu viele komische Fragen gestellt werden, greifen die Zahnräder des Hybridstaats völlig geräuschlos ineinander«, sagte Mike Lofgren in einem Interview mit Bill Moyers.

Interessant auch, was Philip Giraldi sagt: Dass nämlich die stets so militaristische Türkei ihren eigenen Deep State hat, bei dem das Geld dank offenkundiger Kriminalität fließt.
In den USA dagegen verlässt sich der Deep State auf eine Symbiose zwischen Bankern, Lobbyisten und Rüstungsunternehmen. Diesem mutierten Hybrid gehören auch die vierte Gewalt und die Denkfabriken in Washington.
Gibt es Hoffnung für die Zukunft?
Vielleicht. Aktuell bauen sich Zwietracht und Sorge weiter auf. Diverse Gruppierungen, Einrichtungen, Organisationen und auch Teile der Bevölkerung hinterfragen und verurteilen immer lauter das Labyrinth der Macht, in dem sich der Deep State verschanzt. Die Kritiker decken das gesamte politische Spektrum ab, es gehören das Softwarereich Silicon Valley und Occupy genauso dazu wie die Tea Party, Anonymous, WikiLeaks, Anarchisten und Libertarianer von links wie rechts, die Electronic Frontier Foundation genauso wie Whistleblower wie Edward Snowden.
Können diese Gruppen – und können wir, die Menschen im Westen – die Taktik des »Teile und Herrsche« überwinden, mit der Widerstand erstickt werden soll? Möglicherweise hängt die Zukunft der Freiheit davon ab.
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